Seit Beginn des Covid-19-Lockdowns und den Beschränkungen im Alltag boomen digitale Arbeitsformen wie Videokonferenzen. Viele der Angebote werden dabei mit dem Begriff „Webinar“ beworben, einem Kunstbegriff aus den Worten Web und Seminar. Damit ist auch schon klar, was ein Webinar ist: Ein Online-Seminar, an dem die Teilnehmer über das Internet teilnehmen können.
Inhaltsverzeichnis
Der Begriff Webinar ist als Marke geschützt!
Wer nun den Begriff „Webinar“ nutzt, könnte unangenehme Post vom Anwalt erhalten. Der Begriff „Webinar“ ist nämlich als deutsche Wortmarke geschützt. Leistungen wie etwa das Anbieten von Präsentationen über das Internet, die Durchführung von Seminaren oder die Organisation und Veranstaltung von Konferenzen dürfen also nur mit Genehmigung des Markeninhabers als „Webinar“ beworben werden. Wer den Begriff „Webinar“ ohne Rücksprache im geschäftlichen Kontext verwendet, setzt sich somit der Gefahr einer Abmahnung aus.
Warum bekommt man das erst jetzt mit?
Was viele nicht wissen: Die Wortmarke „Webinar“ ist bereits seit dem Jahr 2003 im deutschen Markenregister eingetragen. Bislang ist der Markeninhaber jedoch nicht gegen die Nutzung des Begriffs durch andere Unternehmen vorgegangen. Das hat sich geändert, seit im Frühjahr 2019 der Markeninhaber gewechselt hat.
Spätestens mit dem inflationären Angebot an Webinaren seit den Covid-19-Maßnahmen wird aus unterschiedlichen Quellen von Abmahnungen des neuen Inhabers aus Kuala Lumpur berichtet.
Kurze Wiederholung:Eine Abmahnung ist ein anwaltliches Schreiben, mit dem man darauf hingewiesen wird, gegen Gesetze zu verstoßen. Die Abmahnung ist kostenpflichtig, der Abgemahnte muss dem Rechteinhaber also die Kosten des Rechtsanwalts erstatten. Und die liegen im Markenrecht nicht selten bei über 1.000 EUR. Mehr Infos dazu findet ihr hier.
Ist Webinar nur eine beschreibende Angabe?
Bevor nun die große Aufregung über das deutsche Rechtssystem und das Markenrecht losgeht, müssen wir einige Hintergründe des Markenrechts erklären. Das Markenrecht schützt Unternehmen in erster Linie vor Produktpiraterie (z.B. vor einem Fake-iPhone), aber auch vor Konkurrenten, die sich als Trittbrettfahrer an ein mühsam aufgebautes Image hängen, indem sie ähnliche Marken für ähnliche Produkte verwenden.
Dagegen ist es nicht zulässig, beschreibende Begriffe über einen Missbrauch des Markenrechts zu monopolisieren. Das ist sogar explizit in § 8 Absatz 2 Nr. 2 Markengesetz verankert:
Von der Eintragung ausgeschlossen sind Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, (…) oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.“ Der Begriff Webinar beschreibt jedoch die Art der Dienstleistung, nämlich das Format, in dem die Dienstleistung der Wissensvermittlung angeboten wird.§ 8 Absatz 2 Nr. 2 Markengesetz
Für die Prüfung, ob eine beschreibende Angabe vorliegt, ist das Deutsche Patent- und Markenamt zuständig. Bei jeder neuen Markenanmeldung prüft das Amt, ob die angemeldete Marke für die geplanten Waren und Dienstleistungen beschreibend ist. Mehr Infos dazu findet ihr hier.
Wie also konnte das Wort Webinar ins Markenregister kommen? Vermutlich war der Begriff “Webinar” bei der Anmeldung im Jahr 2003 noch nicht so geläufig wie heute. Oder der/die zuständige Prüfer:in beim Markenamt kannte den Begriff nicht. Die Marke hat jedenfalls Eingang in das Markenregister gefunden, und dort ist sie heute noch.
Darf man nun den Begriff "Webinar" nutzen?
Dass die Marke „Webinar“ als beschreibende Angabe nicht im Markenregister stehen sollte, haben schon einige Unternehmen und Rechtsanwälte bemerkt. Deshalb sind aktuell ganze elf Löschungsanträge gegen die Marke beim Deutschen Patent- und Markenamt anhängig.
Da im Rahmen des Löschungsverfahrens alle Seiten gehört und alle Argumente abgewogen werden müssen, werden die Verfahren mehrere Monate oder sogar ein bis zwei Jahre dauern.
Solange die Marke aber eingetragen ist, ist sie ein wirksames Schutzrecht und eine zulässige Grundlage für Abmahnungen.
Die Verwendung des Begriffs „Webinar“ ist daher am Ende eine Frage der Risikoabwägung und des Aufwands, die Bezeichnung auch rückwirkend aus Titeln, Veranstaltungsankündigungen, Druckmaterial und sogar aus einigen URL zu entfernen. Eine rechtlich sichere Nutzung des Begriffs „Webinar“ gibt es aktuell leider nicht. Im Fall einer Abmahnung gibt es aber diverse Argumente, die man zur Verteidigung vortragen könnte.
Wenn ihr Fragen zur Verwendung des Begriffs Webinar habt oder allgemein eine Beratung zum Thema Markenrecht wünscht, dann stehen wir euch jedenfalls gerne zur Verfügung.
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Photo by Chris Montgomery on Unsplash